Berliner Halbmarathon Startblock E“Ab jetzt ist jeder für sich” sagt mein Mitstreiter und verschwindet im Gedränge des Startblocks E. Das ist der Bereich für “über 2:00 Stunden und alle anderen”. Und davon gibt es hier eine Menge.

30.000 Läufer sind am Start beim Berliner Halbmarathon.

Meine Mitstreiter und ich, wir wollen alle nur ankommen. Und das heisst für jeden etwas anderes.

Heute lasse ich keine Ausreden gelten

StartnummerHMIch jedenfalls bin alles andere als optimal vorbereitet. Der Trainingsplan ist irgendwann Mitte Januar in der Schublade verschwunden. Die langen Läufe sind allzu oft dem kalten Winter, Erkältungen und anderen Ausreden zum Opfer gefallen.

Das letzte Mal bin ich den Halbmarathon vor neun Jahren gelaufen. Dann kamen die Kinder und mehr als 10 Kilometer habe ich mir nie wieder zugetraut.

Aber heute, heute lasse ich einfach keine Ausreden gelten. Das Schlimmste, was passieren kann? Ich muss irgendwann aufhören, aber dann habe ich es wenigstens versucht.

Schmerzen schon bei Kilometer eins?

Ans Aufhören denke ich schon bei Kilometer eins: Mein rechtes Schienbein killt mich. Wenn ich so weiter mache, habe ich nachher eine Knochenhautentzündung oder so.

Also an den Rand und Schuhe schnüren. Die Massen ziehen an mir vorbei. Egal. Weiterlaufen. An was anderes denken.

Irgendwann kommt das Brandenburger Tor, dann der Tiergarten, und kurz nach der Siegessäule der erste Wasserstand.

Gehen geht auch

BerlinerHalbmarathon CharlottenburgFrüher dachte ich immer, wer geht, verliert. Heute ist mir alles egal. Ich trinke in Ruhe und dann geht’s weiter. Schon ein Viertel geschafft! Das Schienbein ist still und zum ersten Mal glaube ich, dass ich es heute durchs Ziel schaffe.

Die nächsten Kilometer vergehen wie im Flug. Ernst-Reuter-Platz, Schloss Charlottenburg, und dann abbiegen Richtung Ku’damm. Ab jetzt laufen wir wieder stadteinwärts. Und schon fast Halbzeit!

Den Ku’damm hoch, Richtung Gedächtniskirche. Puh, der zieht sich. Komm, Irene, wenn du 10 kannst, kannst du auch 11. Ich hangele mich von Kilometer zu Kilometer. Und mache ein Spiel draus: Beim nächsten Kilometerpunkt darfst du ein Stück gehen.

Die Leute überholen links und rechts. Die Reihen lichten sich. Die ersten zackigen Walker tauchen auf. Egal. Einfach weiter, ein Schritt vor den anderen.

Auf die Berliner ist Verlass

Halbmarathon WasserbecherMann, wie kann man so einen Hunger haben! Beim Loslaufen hatte ich meinen Mitstreiter noch mitleidig angeschaut: Pah, Energiegels, das ist doch was für Memmen. Jetzt bin ich mir da nicht so sicher.

Kurz nach dem KadeWe die Rettung: Es gibt Wasser. Und Bananen! Und zuckrigen Zitronentee! Die Berliner kümmern sich wirklich.

Überhaupt, die Berliner: Auf die ist Verlass. All die Motzigkeit des Winters ist vergessen. Hier sind nur freundliche Menschen unterwegs.

Die Trommlertruppen, die mal richtig Krach machen können, die kleinen Jazzbands, und die unzähligen Leute, die uns anfeuern: Kommt weiter, Ihr macht das super! Nur noch sechs Kilometer!

Wow, was für ein toller Körper!

Am Potsdamer Platz überkommt mich ein wunderbares Gefühl: Wie oft habe ich meinen Körper verflucht. Die Beine zu dick, die Füße zu platt, die Hüften zu breit. Aber jetzt liebe ich ihn. Diese Füße, diese Beine, sie tun weh, sie sind müde, und sie tragen mich einfach weiter.

Das Feld hat sich gelichtet. Hier hinten, hier sind wahre Kämpfer unterwegs. Die Siechen und Lahmen, die Dicken und die Humpelnden. Hier wird gegangen, gejoggt und gelaufen. Gelegentlich tänzelt eine Gazelle auf Zehenspitzen vorbei.

Jeder läuft hier sein eigenes Rennen. Jeder für sich und doch alle zusammen. Und alle machen wir weiter.

Quäl dich? Och nö.

Am Rand halten Leute Schilder zum Anfeuern hoch. “Quäl dich” steht da drauf. Quäl dich? Och nö, ich bin hier um Spaß zu haben.

Ich laufe einfach. Auch wenn alles wehtut. Und genieße die Stadt. Jetzt noch die Leipziger Strasse. Normalerweise die Hölle für Fußgänger. Heute gehört sie uns.

Vorbei an den DDR-Hochhäusern der Fischerinsel, vorbei am alten Stadthaus, dem Roten Rathaus, da vorne noch um die Ecke, und dann sehe ich das Ziel.

Da rechts, den Grünen, den überhol ich noch! Und schließlich: Geschafft!

Das ist das Glück

Irene Halbmarathon Berlin 2013“Gut gemacht, Irene” sagt ein Mann und hängt mir eine Medaille um den Hals. Eine Frau hält mir eine weisse Plastikplane entgegen und wickelt mich darin ein wie in eine Kuscheldecke. “Ein Foto, Irene?” sagt ein Fotograf. Wow! Die Berliner! Ich könnte Euch küssen!

Die Sonne lacht, der Himmel ist blau, und ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr.

Der Winter ist vorbei. Jetzt kommt der Frühling und das Sportjahr kann beginnen. Jetzt auf zum Avon Frauenlauf am 04. Mai und dann zum Berlin Triathlon am 02. Juni. Ich kann es kaum erwarten!

Noch nicht sicher, wo du als nächstes starten sollst? Schau doch mal auf unserer Liste mit den besten Triathlons für Frauen!

 

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